Maischberger | 19.05.2015 | Der verunsicherte Patient: Warum misstrauen wir Ärzten?
Zu spät oder schlecht operiert, ein Symptom übersehen, ein Medikament verwechselt: Der Irrtum eines Arztes kann dramatische Folgen für Patienten haben.
Die Verdachtsfälle von ärztlichen Behandlungsfehlern haben nach den letzten Zahlen der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung zugenommen. Heißt das aber auch, die Ärzte sind schlechter geworden? Oder ist das Panikmache, weil bloß Einzelfälle aufgebauscht werden?
Dazu zu Gast bei Sandra Maischberger am 19. Mai 2015:
Gesine Cukrowski (Schauspielerin)
Die erschütternde Nachricht, dass ihr herzkranker Mann nur noch drei Monate zu leben habe, erreichte die Schauspielerin („Der letzte Zeuge“) bei Dreharbeiten. Sie brach zusammen, ein Notarzt musste ihr eine Beruhigungsspritze verabreichen. Nach einer Woche bangen Wartens stellte sich heraus: Es war eine Fehldiagnose. „Seitdem aber misstraue ich Ärzten, am liebsten würde ich zu allen Untersuchungen einen zweiten Arzt mitnehmen“, sagt Gesine Cukrowski.
Iris und Reinhold Otto (Opfer ärztlicher Fehlbehandlung)
Für das Ehepaar endete 2002 das Leben, wie sie es bisher kannten. Im Krankenhaus wird ein Magengeschwür bei dem damals 47-jährigen Reinhold Otto zu spät erkannt. Es platzt, die Organe drohen zu versagen. Nach einer Notoperation fällt er neun Monate lang ins Wachkoma. Sprechen, laufen, denken – alles muss er danach neu lernen. Gutachter stellen einen Behandlungsfehler fest, doch die Versicherung des Krankenhauses bietet dem Ehepaar gerade mal 10.000 Euro als Entschädigung für das zerstörte Leben an. Iris Otto will Gerechtigkeit für ihren Mann und zieht vor Gericht. Nach jahrelangem Kampf hat das Ehepaar Erfolg.
Claudia Polar (Hirntumor wurde nicht erkannt)
„Das ist alles psychisch. Schonen Sie sich.“ Das riet der Arzt der damals 32-Jährigen, die monatelang fast täglich in Ohnmacht fiel. Die Kindergärtnerin begab sich in eine Psycho-Tagesklinik. Doch weder Medikamente noch Therapien helfen ihr, denn psychisch krank war die junge Schweizerin nicht. Bei einer nochmaligen Untersuchung durch einen Vertretungsarzt wird ein Gehirntumor entdeckt. Die heute 34-Jährige muss schnellstmöglich operiert werden und danach mit den Nachwirkungen kämpfen. Claudia Polar fragt sich bis heute, warum der Tumor trotz der Symptome erst so spät und nur zufällig entdeckt wurde.
Boris Meinecke (Fachanwalt für Medizinrecht)
Seit 25 Jahren kämpft der Kölner Anwalt für geschädigte Patienten. Das Hauptproblem bei den Verfahren sieht der Jurist darin, dass die Beweislast beim Patienten liegt. „Sie müssen nachweisen, dass Fehler passiert sind und dass dieser Fehler einen bestimmten Schaden verursacht hat.“
Klaus Reinhardt (Allgemeinmediziner und Hartmannbund-Vorsitzender)
„Jeder Mensch kann Fehler machen. Auch ein Arzt, der sorgfältig und gewissenhaft arbeitet, kann eine Fehldiagnose stellen“, sagt der Allgemeinmediziner. Der Vorsitzende des Hartmannbundes beobachtet ein zunehmendes Misstrauen gegenüber seiner Zunft. Dabei gehe die Ärzteschaft viel offener mit Behandlungsfehlern um als noch vor einigen Jahren. Auch deshalb fordert Klaus Reinhardt, Ärzte nicht an den Pranger zu stellen.